Das tragische Schauspiel der Depression

Absurdes Theater auf der Bühne des eigenen Geistes

Das tragische Schauspiel der Depression aus der Sicht eines Depressiven

„Was geschieht nun in der Depression? Das hierzulande gängige Begriffsspektrum der Psychiatrie   liefert für mich nur bedingt die Grundlage für eine angemessene Beschreibung. Gedrückte Stimmung, Interesse- und Freudlosigkeit, Konzentrationsschwächen u.s.w. beschreiben nur unzulänglich, welches Drama sich im Kopf vieler Betroffener abspielt.   Meine eigenen schwereren Episoden würde ich am ehesten mit der Metapher eines absurden Theaterstücks auf der Bühne des eigenen Geistes beschreiben. Das Denken verliert und verselbständigt sich in einem sich ununterbrochen aufführenden Psychodrama auf einer schlecht ausgeleuchteten Bühne im Kopf des Depressiven. Die einzelnen Sprecher neigen zu seltsam verzerrten, konfusen, widersprüchlichen, gebetsmühlenhaft wiederholten Ausführungen. Es gibt Souffleure, die aber eher zu weiterer Verwirrung beitragen. Die Szenerie wirkt bizarr und surreal, das Geschehen absurd. Es scheint  niemanden zu geben, der Regie führt. Wie im Improvisationstheater ergibt ein Wort das nächste, ohne dass ein Ziel der Handlung erkennbar wäre. Die Akteure reden wild durcheinander. Der Vordergrund der Bühne ist grau-schwarz, die Kleidung der Hauptdarsteller ebenso. Man ahnt gelegentlich, dass im unausgeleuchteten Hintergrund der Bühne – Backstage – noch weitere Akteure warten. Doch diese kommen weder nach vorne, noch kommen sie zu Wort. Wenn eine dieser helleren Gestalten sich doch einmal wagt, nach vorne auf die Bühne zu kommen, um der Handlung eine neue Richtung zu geben, wird sie erbarmungslos niedergeredet, für verrückt erklärt und wieder in die Dunkelheit verbannt. Es kommt zu immer neuen grotesk surrealen Szenen. Manches erinnert an das absurde Theater. Anderes an klassische Tragödien. Allein die ersehnte Katharsis scheint unerreichbar. Das Ausleben von Jammer und Schrecken führt nicht zur Läuterung. Vielfach geht es um existenzielle Fragen und Themenkomplexe wie Sinnlosigkeit, Angst, Schuld und Versagen, für die es keine Lösung zu geben scheint.“

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