Sich aus den Fesseln befreien

Vom Anhaften zur Freiheit

Das fundamentale oder existenzielle Anhaften ist das am Ego, an unserer Identität, an dem Bild dessen, was wir zu sein glauben.

Dieses Anhaften bewirkt den Drang, Gewohntes zu tun, alte Muster zu verstärken.

Anhaftung wird durch die selbsterzählten Geschichten in unserem eigenen Kopf gestärkt. Anhaftung ist eine Kraft, mit der wir unsere Emotionen, Gedanken, Worte immer wieder aufladen. Es beginnt mit einem  enttäuschenden oder verletzenden Ereignis. Darauf zeigen wir Unbehagen, Verspannung. Es folgt das Anhaften, die andauernde Beschäftigung mit dem Ereignis. Wir rasten in diesem Zustand ein, sitzen in ihm fest. Es kommt zu einem Hochschaukeln, zur Kettenreaktion. Im Zustand der Anhaftung haben wir keine bewusste Kontrolle mehr. Wir sind sozusagen mit dem Autopiloten unterwegs. Anhaftung wirkt wie eine ansteckende Krankheit, eine Epidemie, die sich schnell verbreitet. Anhaftung hat eine starke Sogwirkung.

Wenn wir die Anhaftung wahrnehmen, haben wir eine Wahlmöglichkeit: Wir können uns hineinsteigern oder wir können innehalten, den gegenwärtigen Zustand zulassen ohne dagegen anzukämpfen. Damit können wir die altgewohnte Reaktion unterbrechen. Es besteht eine Chance zur Verwandlung. Die Tür dafür ist einen Spalt breit offen. Wir können uns aus den Fesseln befreien.

Der entscheidende Schritt ist, das Unbehagen zuzulassen, es wahrzunehmen, es zu erfahren, sich damit vertraut zu machen. Wir verharren beim Unbehagen und in der daraus resultierenden Verspannung. Dies ermöglicht ein Vorhersehen der sonst ablaufenden Kettenreaktion einschließlich der unerwünschten Folgen. Hilfreich ist an dieser Stelle Mitgefühl für sich selbst aufzubringen. Die Anhaftung kann so erschüttert und bestenfalls aufgelöst werden. Die Kettenreaktion kann verhindert, die Epidemie eingedämmt werden.

Das Zulassen und Erfahren ist das Gegenmodell zum gewohnheitsmäßigen Reaktionsmuster. Die gewöhnliche Strategie ist die des Ausagierens oder des Verdrängens in Form von Ablenkungsmanövern. Der einzige Weg, unseren Schmerz zu lindern besteht darin, ihn ganz zuzulassen.

Wesentlich ist, die Geschichte in unserem Kopf loszulassen. Es geht darum, die begrenzende Geschichte fallen lassen, die wir über uns selbst erfunden haben. Wir sollten Traurigkeit und Zerknirschung nicht in Schuld und Scham verwandeln.

Zusammengefasst: Der erste Schritt ist das Verharren im belastenden Ereignis. Es folgt das Wahrnehmen, Erkennen, ohne Verdrängung. Dies bewirkt das Durchbrechen der Eigendynamik.

Der Lohn ist die Freiheit der Entscheidung, die freie Wahl.

 

Literatur

  • Geh an die Orte die du fürchtest von Pema Chödrön
  • Den Sprung wagen: Wie wir uns von destruktiven Gewohnheiten und Ängsten befreien von Pema Chödrön und Margarethe Randow-Tesch

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