Wie entsteht psychisches Leid?

Wenn der menschliche Verstand versucht, Probleme zu lösen, für die er nicht geschaffen ist

Psychische Probleme entstehen nach Auffassung moderner Psychotherapieschulen  immer dann, wenn der menschliche Verstand versucht, Probleme zu lösen, für die er nicht geschaffen ist. Diese Einsicht mag zunächst überraschen und unserem gewohnten Denk- und Erklärungsmuster widersprechen. Und doch findet sich der Gedanke seit Jahrhunderten in zahlreichen spirituellen Traditionen des Ostens, aber auch des Westens. Seit einiger Zeit ist er nun auch wissenschaftlich belegt.

Ausgangspunkt ist die zunächst vielleicht irritierende Erfahrung, dass negative Gedanken, belastende Gefühle und unerwünschte Handlungsimpulse umso schlimmer werden, je mehr man versucht, sie zu kontrollieren. Je mehr wir uns bemühen, einen Gedanken nicht zu denken, umso häufiger drängt er in unser Bewusstsein. Je mehr wir versuchen, Schmerz nicht zu spüren, umso stechender empfinden wir ihn. Und je mehr wir versuchen, belastende Gefühle zu unterdrücken, umso mehr Bedeutung gewinnen sie und prägen unser Bild der Wirklichkeit.

Das Grundproblem ist die Art und Weise, wie wir mit belastenden Situationen umgehen. Von klein auf haben wir uns darin geübt, auftretende Schwierigkeiten mit unserem Verstand zu analysieren, zu bewerten und sie möglichst zu beseitigen. In vielen Bereichen des täglichen Lebens ist diese Strategie ausgesprochen erfolgreich. Mit unserem rationalen, logischen Problemlösungsdenken  gelingt es uns Fortschritte zu machen und Erfolge im Äußeren zu haben.

So ist es nachvollziehbar, dass wir versuchen, diese erfolgreiche Strategie auch auf unsere inneren Belastungen anwenden. Doch je mehr wir versuchen, psychische Probleme einzudämmen, umso mehr wird der Kontrollversuch selbst zum Problem.

Was also brauchen wir stattdessen?
Gibt es die Möglichkeit zu einem „reichen, selbstbestimmten, sinnerfüllten Leben – und das mit (nicht trotz) der eigenen Geschichte, mit all den Erinnerungen, mit der Angst und mit der Traurigkeit, die man manchmal in sich trägt“, wie Stephen C. Hayes es ausdrückt?

Um diese Frage geht es in den achtsamkeitsbasierten Therapien (ACT, MBSR, MBCT), die auf der Praxis von Achtsamkeit und Akzeptanz beruhen. Sie verbinden aktuelle Erkenntnisse aus Psychologie und Neurophysiologie mit dem uralten Wissen fernöstlicher Meditation. Es geht letztlich um eine grundlegende Transformation des Denkens und Fühlens durch Achtsamkeit und Akzeptanz, die uns einen grundsätzlich anderen Umgang mit unseren Belastungen ermöglicht.

Literatur

  • ACT-Training. Handbuch der Acceptance & Commitment Therapie. Ein Lernprogramm in zehn Schritten von Jason Luoma, Steven C. Hayes, Robyn D. Walser und Theo Kierdorf
  • In Abstand zur inneren Wortmaschine: Ein Selbsthilfe- und Therapiebegleitbuch auf der Grundlage der Akzeptanz-… von Steven C Hayes und Spencer Smith
  • Das Leben annehmen: So hilft die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) von Matthias Wengenroth
  • Wer vor dem Schmerz flieht, wird von ihm eingeholt: Unterstützung in schwierigen Zeiten. ACT in der Praxis von Russ Harris und Bernhard Kleinschmidt

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